Allen Angehörigen von Demenzkranken, aber auch jedem anderen, der sich für das Thema Demenz bzw. Alzheimererkrankung interessiert, möchten wir dieses Buch wärmstens ans Herz legen. In „Der alte König in seinem Exil“ erzählt Arno Geiger von der Demenzerkrankung seines Vaters: einfühlsam, komisch und berührend.
Die Krankheit erkennen und begreifen
Als die Familie beim 1926 geborenen August Geiger erste Funktionsverluste bemerkt, vermuten sie zunächst, dass es sich um Sturheit oder Verweigerung handelt. Erst, als die Demenzerkrankung manifest und diagnostiziert wird gelingt es den Kindern, einen neuen Zugang zu ihrem kranken Vater zu erlangen.
Arno Geiger erzählt von dieser Entwicklung und seinen Erlebnissen mit dem Vater. Dabei wird sehr gut deutlich, was es bedeutet, einen vertrauten Menschen zu pflegen, dem nach und nach immer mehr Fähigkeiten abhanden kommen. Denn die Erkrankung des Vaters schreitet voran. Er ist immer häufiger orientierungslos, verwirrt oder sogar aggressiv und formuliert seinen sehnlichsten Wunsch: Endlich nach Hause gehen. Doch der Kern seiner Persönlichkeit bleibt. August Geiger ist immer noch ein fröhlicher, kontaktfreudiger, charmanter Mann.
Annäherung und Rückschläge
Dem Sohn Arno Geiger gelingt es, vermittelt durch die Krankheit, ein neues, engeres Verhältnis zum Vater aufzubauen, auch, wenn dieser ihn bald nicht mehr erkennt oder mit anderen Familienmitgliedern verwechselt. Der Schriftsteller erfreut sich an der kreativen, von Stilblüten durchsetzten Sprache des Vaters und versucht, sich in ihn hineinzuversetzen. Hierbei bleiben auch bei ihm Gefühle der Verzweiflung, Trauer, Erschöpfung oder Wut nicht aus. Das Buch zeigt auch, wie wichtig es ist, dass sich die Last der Betreuung und Pflege auf mehrere Schultern verteilt. Zunächst teilen sich die Familienmitglieder die Betreuung des Vaters untereinander auf. Später engagieren sie auch Pflegekräfte und zuletzt zieht der Vater ins Pflegeheim vor Ort um. Dort können ihn seine Kinder jederzeit besuchen. So gelingt es der Familie, den Vater als Menschen in ihrer Mitte zu behalten, ohne dass die Pflege die Angehörigen über Gebühr belastet.
Schnörkellos und berührend
Der Autor Arno Geiger ist 1968 geboren. 1997 veröffentlichte er seinen ersten Roman „Kleine Schule des Karussellfahrens“. „Der alte König in seinem Exil“ erschien im Jahr 2011 im Carl Hanser Verlag und ist auch als Taschenbuch vom dtv verfügbar. Die Sprache des Buches ist schnörkellos, aber nicht naiv. Sie ist berührend, aber nicht kitschig. Vor allem die immer wieder eingeflochtenen Dialoge mit dem Vater sorgen für komische Momente und lassen den alten König als Person vorm inneren Auge des Lesers erstehen. Unser Lesetipp für alle, die sich mit dem Thema Demenzerkrankung näher beschäftigen möchten!