Einen Pflegefall zuhause betreuen ist bereits eine Herausforderung. Wie gestaltet sich die Pflege, wenn Sie den Pflegebedürftigen zuhause beatmen müssen? Welche Änderungen plant Gesundheitsminister Jens Spahn für die Heimbeatmung? Wir geben die Antworten.
Durch eine Erkrankung oder nach einem Unfall können einige Betroffene nicht mehr selbständig Luft holen. Dann muss eine Maschine die Atmung übernehmen. Die Betreuung der Betroffenen übernimmt entweder das Fachpersonal in einem Krankenhaus, Pflegeheim oder Sie können den Pflegebedürftigen auch im gewohnten Umfeld versorgen. Im letzten Fall spricht man von Beatmung zu Hause oder Heimbeatmung. Medizinisch oder pflegerisch korrekt wird diese Beatmung als „außerklinische Beatmung“ bezeichnet.
Formen der Heimbeatmung
Die Art der Beatmung richtet sich nach der jeweiligen Erkrankung. Zum einen kann das Beatmungsgerät die Atmung unterstützen, zum anderen kann es diese auch vollständig übernehmen. Neben der Beatmungsintensität unterscheidet man auch die Dauer. So kann die Beatmung sowohl dauerhaft als auch stundenweise passieren. Etwa wenn der Pflegebedürftige nur im Schlaf eine Unterstützung benötigt. Außerdem kann eine Beatmung langfristig oder nur vorübergehend notwendig sein.
Nicht-invasive Beatmung
Bei der nicht-invasiven Beatmung erhält der Beatmete über ein Mundstück, eine Nasenmaske oder eine Mund-Nasen-Maske Sauerstoff. Diese Art der Beatmung kann der Betroffene meist völlig selbstständig durchführen.
Invasive Beatmung
Anders als bei der nicht-invasiven Beatmung ist bei der invasive Beatmung ein Eingriff notwendig. Hierfür wird über den Hals ein künstlicher Zugang zur Luftröhre geschaffen: das sogenannte Tracheo-Stoma. Hierüber wird ein Röhrchen in die Luftröhre eingeführt. An dem Röhrchen wird das Beatmungszubehör angeschlossen. Hygienestandards sind bei dieser Beatmung dringend erforderlich. Außerdem ist eine intensive Überwachung notwendig. Daher sollte stets eine spezialisierte Pflegekraft die invasive Beatmung unterstützen.
Anforderungen an die Heimbeatmung
Informieren Sie sich im Vorfeld, welcher Pflegedienst die außerklinische Beatmung übernehmen kann. Denn nicht jeder Pflegedienst kann dies gewährleisten. Intensiv-Pflegedienste sind auf die außerklinische Beatmung spezialisiert und halten die verbindlichen Qualitätsvorgaben ein. Welche Pflichten sich bei der Beatmung ergeben, hängt von den Bedürfnissen der beatmeten Person ab.
Überwachung der Beatmung
Die Beatmung richtet sich nach den ärztlich festgelegten Vorgaben. Beispielsweise wird die Sauerstoffmenge vorgeschrieben, die in einer bestimmten Zeit in die Atemwege geleitet werden soll. Da sich einige Parameter mit jedem Atemzug oder bei Bewegung verändern, müssen Sie oder eine Fachkraft das Beatmungsgerät genau überwachen. Veränderungen rechtzeitig zu bemerken und entsprechend schnell zu reagieren, kann lebenswichtig sein. Mehrmals täglich müssen Sie oder das Pflegekraft daher die Messwerte überprüfen und mit den ärztlichen Vorgaben abgleichen. Schlägt das Beatmungsgerät Alarm, müssen Sie die Ursache finden und beheben. Stellen Sie keinesfalls den Alarm aus, ohne der Ursache nachzugehen.
Weitere Informationen und praktische Hinweise zur Beatmung zuhause können Sie hier downloaden.
Was ändert sich durch Jens Spahn Gesetzesentwurf für die Heimbeatmung?
Im ersten Gesetzentwurf plante Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) die Intensivpflege mit maschineller Beatmung in den eigenen vier Wänden als eine absolute Ausnahme zu erlauben. Spahns Ansatz: Fachpersonal sollte Betroffene in stationären Einrichtungen betreuen. Massive Kritik beispielsweise von Patienten mit fortschreitendem Muskelschwund, die eine Beatmung brauchen, folgte. Diese Patienten hätten nicht mehr bei ihren Familien leben können. Sondern müssten zwangsweise stationär untergebracht werden.
Nun hat das Ministerium den Entwurf geändert. Angehörige und Pflegekräfte dürfen weiterhin Menschen mit der Nervenkrankheit ALS zu Hause betreuen. Für alle Pflegebedürftige, die derzeit in den eigenen vier Wänden gepflegt werden, gilt unbegrenzter Bestandsschutz. Vorerst hatte Spahn diesen für nur drei Jahre geplant.
Was steckt hinter dem Gesetzentwurf?
Mit dem Gesetzentwurf möchte Spahn eine mögliche Entwöhnung von Beatmungsmaschinen und somit eine Entlastung des Gesundheitssystems vorantreiben. Werden bisher Patienten auf der Intensivstation künstlich beatmet, bleibt dies auch bei der ambulanten Betreuung so. Je länger eine künstliche Beatmung andauert, desto weiter geht der eigene Atemantrieb zurück. Die Atemmuskulatur schwindet. Zur Stärkung der Muskulatur sollte jedoch zeitnah eine Entwöhnung starten. Diese ist jedoch bei ALS unmöglich. Denn der Muskelschwund ist unaufhaltsam.
Eine Beatmung zu Hause ist kostenintensiv: Laut Siemens-Betriebskrankenkasse monatlich 15.000 bis 20.000 Euro. Bei einer stationären Betreuung sind es Zusatzkosten von etwa 6.500 Euro. Mit dem Gesetz sollen die Eigenanteile zur häuslichen Betreuung entfallen.
Neben den Kosten sollen klare Qualitätsanforderungen für „Pflege-WGs“ umgesetzt und durch den Medizinischen Dienst kontrolliert werden. So will Spahn gegen schwarze Schafe in der Pflege vorgehen, die unqualifizierte Kräfte bei der Betreuung von Beatmungspatienten einsetzen. Spahn will sicherstellen, „dass Intensiv-Pflegebedürftige bestmöglich versorgt werden.“ Mitte 2020 soll der Bundestag das Gesetz verabschieden.