Die Pflege eines Angehörigen kostet Zeit – die für den eigentlichen Job fehlt. Seit 2015 können Pflegende eine berufliche Auszeit nehmen und als Ausgleich das Pflegedarlehen nutzen. Wir schauen uns das Darlehen genauer an.
Sie wollen sich intensiver der Pflege Ihres Angehörigen widmen? Dann können Sie sich als Beschäftigte/r nach dem Pflegezeit- und Familienpflegezeitgesetz hierfür freistellen lassen. Denn Sie haben einen Anspruch auf bis zu zehn Tage Auszeit von Ihrem Job. Zusätzlich können Sie die Auszeit verlängern oder ihre Wochenstunden für einen gewissen Zeitraum verringern. Hierfür steht Ihnen Pflegeunterstützungsgeld in Form eines zinslosen, staatlichen Darlehens zu.
Wie hoch ist das Pflegedarlehen?
Um Ihre Einkommenseinbußen durch die Arbeitsreduzierung und das geringere Gehalt abzufedern erhalten Sie monatliche Raten. Etwa die Hälfte Ihres Nettogehalts soll das Pflegedarlehen abdecken. Hierfür wird die Differenz zwischen dem pauschalierten monatlichen Nettoentgelt vor und während der Freistellung berechnet. Die Hälfte wird Ihnen ausbezahlt. Die Grenze der monatlichen Darlehensrate liegt bei einer durchschnittlichen Arbeitszeit von 15 Wochenstunden. Sie müssen jedoch nicht die volle Höhe des errechneten Pflegedarlehens in Anspruch nehmen. Denn die Höhe des monatlichen Betrags ist flexibel. Wobei Sie aus verwaltungspraktischen Gründen eine Untergrenze von 50 Euro monatlich nicht unterschreiten können.
Kaum jemand nutzt das staatliche Pflegedarlehen – warum?
Die Zahl der pflegebedürftige Menschen in Deutschland steigt: Während 1999 noch knapp zwei Millionen Menschen pflegebedürftig waren, waren es 2017 bereits 3,4 Millionen. Ein Großteil der Pflege meistern dabei die Angehörigen. In ungefähr 75 Prozent der Fälle betreuen Familienmitglieder die Pflegebedürftigen. Doch obwohl das Pflegedarlehen als Unterstützung gedacht war, wird es kaum beantragt. Seit 2015 haben erst 921 Pflegende das Darlehen angefordert. Im Jahr 2019 gingen bisher sogar nur 87 Anträge ein. Laut Gesetzentwurf hatte die Regierung im Zeitraum von 2015 bis 2018 mit etwa 9700 Anträgen gerechnet. Das ist das Zehnfache der tatsächlich erreichten Zahlen.
Warum bleibt die Nutzung des Darlehens so hinter den Erwartungen zurück? Zum einen gibt es keine genauen Zahlen zu Arbeitnehmern, die sich aufgrund eines Pflegefalls freistellen ließen, zum anderen muss die Inanspruchnahme des Pflegedarlehens nicht gemeldet werden. Eine repräsentative Befragung im Jahr 2016 zeigte jedoch, dass sich seit Einführung des Gesetzes mindestens 70.000 Angehörige für die Pflege freistellen ließen. Die Möglichkeit wird demnach schon genutzt. Die finanzielle Unterstützung des Staates dabei jedoch nicht. Unklar ist bisher, inwieweit die Pflegenden den Lohnausfall anderweitig abfedern. Und ob sie daher auf das Pflegedarlehen verzichten.
Kritikpunkt fehlende Unterstützung
Warum nutzen also so wenige Menschen das Darlehen? Das Problem liegt im Detail. Wenn Sie die sechs Monate Pflegezeit und die Verringerung der Arbeitsstunden nutzen wollen, müssen in Ihrem Betrieb mehr als 15 Mitarbeiter arbeiten. Antragsteller, die in kleineren Betrieben angestellt sind, erhalten das Darlehen gar nicht. Hinzu kommt, dass die Gesamtpflegezeit nicht mehr als 24 Monate dauern darf. Wird der Angehörige länger gepflegt, verlieren Sie Ihren Anspruch auf die Förderung. Lukrativ ist das Pflegedarlehen daher nur für den vorübergehenden Arbeitsausfall. Schaut man in die Statistik, dann pflegen 40 Prozent der Angehörigen jedoch länger als zwei Jahre.
Kommen mögliche gesetzliche Anpassungen des Pflegedarlehens?
Wahrscheinlich eher nicht. Denn trotz dürftiger Bilanz – Die Bundesregierung lehnt Änderungen am Pflegedarlehen ab. Einen ersten Bericht des unabhängigen Beirats für die Vereinbarkeit von Pflege und Beruf erhielt Franziska Giffey Ende Juni. Derzeit wird er geprüft. Vielleicht wird es anschließend zu Änderungen der gesetzlichen Ausgestaltung des Darlehens kommen. Ein weiterer Grund zur seltenen Nutzung des Pflegedarlehens, ist das fehlende Wissen.
Wo kann man das Pflegedarlehen beantragen?
Sie beantragen das zinsfreie Darlehen beim Bundesamt für Familie und zivilgesellschaftliche Aufgaben (BAFzA). Die Kontaktdaten sind:
Bundesamt für Familie und zivilgesellschaftliche Aufgaben Referat 504
50964 Köln
Telefon: 0221 3673-0
Telefax: 0221 3673-4661
Mail: familienpflegezeit@bafza.bund.de
Was, wenn Sie das Darlehen nicht zurückzahlen können? Falls Sie das Darlehen aufgrund eines besonderen Härtefalls nicht zurückzahlen können, können Sie beim BAFzA die Stundung der Rückzahlung beantragen. Die Fälligkeit der Rückzahlung wird in diesem Fall hinausgeschoben.
Mögliche Gründe für einen Aufschub der Rückzahlung sind:
- Bezug von Entgeltersatzleistungen nach dem dritten und dem fünften Sozialgesetzbuch
- Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem zweiten Sozialgesetzbuch
- Leistungen nach dem dritten und vierten Kapitel des zwölften Sozialgesetzbuch
- Eine mehr als 180 Tage ununterbrochene Arbeitsunfähigkeit Z
Zinslose Darlehen können also eine Hilfe für die pflegenden Angehörigen sein. Dennoch benötigen diese eine weitreichendere Entlastung als ein Darlehen, das sie zurückzahlen müssen. Viele Experten schlagen eine „Lohnersatzleistung“ nach dem Vorbild des Elterngelds vor, um Beruf und Pflege tatsächlich zu vereinbaren. Es bleibt abzuwarten, ob und in welchem Umfang die finanzielle Entlastung für Pflegende gestaltet werden kann.