13.000 zusätzliche Stellen versprach Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) den Pflegeheimen. Nach dem Kosovo und den Philippinen reiste Spahn auf der Suche nach Fachkräften nun nach Mexiko. Reicht das, um den Pflegenotstand zu beenden?
Die im Rahmen der „Konzertierten Aktion Pflege“ angekündigten Stellen sind noch immer unbesetzt. Lediglich 2.300 Stellen wurden nach dem „Pflegepersonal-Stärkungsgesetz“ beantragt. Das heißt, die Pflegekräfte warten noch auf ihren Jobstart. Denn derzeit werden alle Anträge noch von den Krankenkassen geprüft.
Es wird Zeit für Realtaten statt politischer Diskussion. Da der Pflegenotstand in Deutschland real spürbar wird: Wir werden älter, die Anzahl der Pflegebedürftigen steigt rapide und die Zahl der ausgebildeten Fachkräfte stagniert. Pflegeheime sind bereits jetzt aus- und überlastet. Wartelisten für einen Betreuungsplatz sind Alltag vieler Heime. Außerdem orientieren sich viele Leistungen der Altenpflege wenig am Bedarf. Vielmehr müssen Pflegende mit der Stoppuhr gemessenen Zeiten entsprechen. Eine Vielzahl an Herausforderungen. Doch welche Herausforderungen gilt es zu bewältigen, um dem Pflegenotstand zu begegnen?
Herausforderung Quote in Seniorenheimen
Ein Teil des Pflegenotstands wird durch die in Seniorenheimen geltende Quote verursacht. Das Pflegepersonal muss sich zu 50 Prozent aus Fachkräften, also ausgebildeten Alten- oder Krankenpflegern, zusammensetzen. Diese Regelung erschwert die bürokratischen Hürden. Viele Einrichtungen kämpfen darum, die Fachkraftquote einzuhalten. Denn diese Einhaltung ist eine Grundvoraussetzung, um die zusätzlichen Stellen in der Pflege beantragen zu können.
Herausforderung Attraktivität des Pflegeberufs
Nimmt der Personalschlüssel ab, steigt die Belastung des einzelnen Pflegers. Diese Unterbesetzung setzt einen Kreislauf aus Mehrbelastung, Erschöpfung und steigenden gesundheitlichen Ausfällen frei. Neben der körperlichen Anstrengung machen Schichtarbeit und eine überwiegend schlechte Bezahlung den Beruf für Berufsneulinge unattraktiv.
Herausforderung Abgrenzung zur Krankenpflege
Das Image der Krankenpflege ist deutlich höher als das der Altenpflege. Grund hierfür ist unter anderem die Abrechnung der Leistung. So ist die Behandlungspflege wie z.B. die Wundversorgung zwar eigentlich eine Leistung der Krankenkassen, die Leistung wird jedoch als Pflegeleistung vergütet und somit geringer bezahlt.
Dies wertet die Altenpflegedienstleistung ab. Außerdem bedingt die schlechtere Bezahlung der Leistung zwangsläufig eine schlechtere Bezahlung der Angestellten.
Chance: Gleichstellung der Altenpflege mit der Krankenpflege
Löhne in der Altenpflege liegen im Schnitt um acht Prozent unter dem Niveau der Krankenpflege. Diese Lücke sollte schnellstmöglich geschlossen werden. Eine Gleichstellung der Berufe würde eine Wertschätzung der Altenpflege und gleichzeitig eine finanzielle Aufwertung der Pflegenden bedeuten. So sollte die Wundversorgung als Leistung der Krankenkasse eingestuft werden. Außerdem sollte der spezielle Versorgungsaufwand dementiell Erkrankter als krankheitsbedingte Leistung der Krankenversicherung zählen.
Chance: Pflegereform
Die bisher getrennten Ausbildungen der Kranken-, Kinderkranken- und Altenpflege werden ab 2020 in der „Ausbildung zur Pflegefachfrau und Pflegefachmann“ kombiniert. Ein entscheidender Vorteil für die künftigen Auszubildenden ist, dass ihre Ausbildung europaweit anerkannt wird. Durch die Zusammenführung der Berufszweige müssen sich Auszubildende nicht mehr auf einen Bereich in der Pflege beschränken. Dies ermöglicht flexiblere Weiterbildungsmöglichkeiten und Vertiefungen. Es handelt sich weiterhin um eine dreijährige Ausbildung mit 2100 Theoriestunden und 2500 Praxisstunden. Während der theoretische Unterricht nun für alle Auszubildenden gleich ist, setzen die angehenden Pflegefachkräfte im praktischen Teil einen Vertiefungsschwerpunkt.
Chance: Image der Altenpflege verbessern
Damit mehr Menschen den Beruf der Pflegekraft ergreifen, muss dieser attraktiver werden. Dies könnte durch eine verstärkte Qualifizierung erreicht werden. Eine bessere Bezahlung macht den Berufseinstieg attraktiver. Fort- und Weiterbildungsmöglichkeiten bieten außerdem eine berufliche Perspektive. Außerdem benötigen die Pflegeberufe mehr Mitsprache und Bestimmungsrecht: Wie kann und soll Pflege gestaltet und definiert werden?
Pflege ist ein sowohl körperlicher als auch psychisch fordernder Beruf. Die Notwendigkeit einer ausgewogenen Work Life Balance gilt es nicht nur zu diskutieren, sondern konkret umzusetzen. Überlegenswert wäre ein niedrigeres Renteneintrittsalter für Pflegeberufe. Der Bedarf hierfür zeigt sich im Krankenstand der über 60-jährigen Pflegenden.
Chance: Pflegefachkräfte aus dem Ausland
Die Lücke der offenen Pflegestellen will Gesundheitsminister Jens Spahn auch mithilfe ausländischer Kräften schließen. Außerdem sollen ausländische Berufsabschlüsse schneller anerkannt werden. Damit dieser Weg zu neuen Fachkräften realisierbar ist, ist eine gezielte Zuwanderungspolitik notwendig. Aus der Zusammenarbeit der staatlichen Deutschen Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) und der Auslandsvermittlung der Arbeitsagentur entstand das „Triple-Win-Programm“. Ziel des Programms: Pflegekräfte aus aller Welt nach Deutschland holen.
Es wird jedoch notwendig, noch weiter über den Tellerrand zu schauen. Wir müssen weitere Länder neben Polen, der Ukraine und Ungarn für die Rekrutierung von Fachkräften erschließen. Denn es werden langfristig gesehen weniger Pflegekräfte aus diesen Ländern nach Deutschland kommen. Gründe hierfür sind demografische Änderungen sowie eine wirtschaftliche Annäherung an die übrigen EU-Staaten.
Chance: Technische Unterstützung
Von Japan lernen wir technische Mittel in der Pflege einzusetzen und älteren Menschen länger ein sicheres Leben in den eigenen vier Wänden zu ermöglichen. Beispielsweise stellt Robotertechnik fest, ob ein Pflegebedürftiger genug getrunken hat. Spezielle Fitness-Trainings können außerdem Unsicherheit vor einem Sturz abbauen.
Das Fazit
Der Pflegenotstand kann nicht schnell behoben werden. Vielmehr benötigt es große Investitionen und Umstrukturierungen. Um diese zu meistern, müssen bisherige Strukturen verändert werden.