Pflegebedürftige Menschen sind in vielen Lebensbereichen von den Berührungen anderer abhängig – sei es bei der Körperpflege, beim Wechseln von Kleidung oder Verbänden oder aber beim Aufrichten und Drehen im Bett. Was all diese Handlungen teilen, ist die Zweckdienlichkeit, mit der die Berührung ausgeführt wird. Doch was ist mit bewussten Streicheleinheiten, die echte Wertschätzung zum Ausdruck bringen? Wir zeigen Ihnen, wie kleine Massagen und achtsame Berührungen das Wohlbefinden von Pflegebedürftigen steigern können.
Sensorische Deprivation: Pflegebedürftigen fehlen wichtige Sinneseindrücke
In Ihrem Bewegungsspektrum eingeschränkt, erleben viele Pflegebedürftige einen Mangel an Sinneseindrücken. Dieser Zustand wird auch als sensorische Deprivation bezeichnet – und umfasst auch fehlende physische Mensch-zu-Mensch-Interaktion. Umarmungen, ein Händedruck oder auch nur an jemanden gelehnt zu sitzen, ist Pflegebedürftigen kaum möglich – von vielen selbstgesteuerten Bewegungen ganz zu schweigen.
Dieser Mangel hat nicht nur massive Auswirkungen auf das individuelle Wohlbefinden, sondern auch auf die Gesundheit: Die Gliedmaßen der Betroffenen sind weniger elastisch, die Durchblutung verlangsamt sich, Muskelschwächen und Gelenkerkrankungen sind die Folge.
Auch auf emotionaler Ebene tritt durch Bewegungs- und Berührungsmangel eine Veränderung ein, die sich auf den gesamten Organismus auswirken kann: Die Empfindsamkeit steigt und negative Gefühle wie Trauer oder Einsamkeit werden intensiver wahrgenommen.
Die Wirkung von Berührungen und Massage bei Pflegebedürftigen
Massagen und Berührungen, die auf die individuellen Bedürfnisse ausgerichtet sind, verschaffen Patienten ein allgemeines Wohlgefühl und rücken sie als Person wieder mehr ins Zentrum der Aufmerksamkeit. Dadurch lässt sich die Lebensqualität massiv verbessern, indem die Muskeln gelockert und Durchblutung, Stoffwechsel und Immunsystem angeregt werden.
Wichtig ist jedoch, die Unterschiede zur Massage und Berührung gesunder Menschen zu kennen: Pflegebedürftige müssen deutlich vorsichtiger und zurückhaltender berührt werden. Dazu wird der ausgeübte Druck auf ein Mindestmaß verringert, um blaue Flecken und Schmerzen zu verhindern. Die Maxime lautet: achtsam statt intensiv.
Achtsame Berührungen sind für beide Seiten gut
Diese Regeln beherzigt auch „Respectare“, das Berührungskonzept der Pflegepädagogin Annette Berggötz. Es „steht für eine respektvolle Haltung sowohl dem pflegebedürftigen Menschen als auch sich selbst gegenüber“ und ist deshalb auch für beide Seiten so erfolgreich. Oberster Grundsatz für achtsame Berührungen sei daher die „Erlaubnisfrage“, mit welcher der Pflegebedürftige aktiv um seine Zustimmung gebeten wird – eine Situation, die bei den täglich notwendigen Pflegemaßnahmen häufig völlig außer Acht bleibt.
Laut Berggötz sei es aber gerade in der Beziehung zwischen Pflegendem und Pflegebedürftigem wichtig, Nähe und Distanz genau auszuloten.
7 Berührungsanregungen für Pflegebedürftige
Während „Respectare“ in Pflegeeinrichtungen und Kliniken bereits auf großes Interesse gestoßen ist, können die Ansätze auch für Pflegende daheim eine Anleitung für achtsame Berührungen bieten. Folgende Anregungen bieten einen guten Einstieg:
- den Handrücken streicheln
- die Hand mit beiden Daumen massieren
- mit Daumen und Zeigefinger die Fingerzwischenräume ausstreichen
- mit beiden Daumen die Handfläche ausstrichen
- Hände links und rechts der Wirbelsäule anlegen („Ruhepol“), danach langsam bis zu den Schultern auf- und abstreichen
- mit beiden Händen größer werdende, herzförmige Berührungen über den ganzen Rücken ausführen
- mit beiden Händen von den Schultern bis zum Ruhepol streichen
Wichtig ist es vor allem, alle Bewegungen langsam und sehr bewusst auszuführen. Eine bebilderte Anleitung der einzelnen Berührungen finden Sie auf apotheken-umschau.de.
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