Über dieses Thema wird wenig gesprochen: Sexualität im Alter scheint heutzutage immernoch ein Tabu zu sein. Dabei haben auch ältere Menschen ein Bedürfnis nach körperlicher Nähe und Befriedigung – wir möchten diesen Themenbereich deshalb etwas näher betrachten.
Ein Film rüttelt auf
Im Jahr 2008 ging ein Raunen durch Deutschland. Der Film Wolke 9 des Regisseurs Andreas Dresen kam in die deutschen Kinos. Er erzählt die Geschichte einer 69 Jahre alten Frau, die sich in einen 7 Jahre älteren Mann verliebt und für ihn ihren Ehemann verlässt. Im Film werden nicht nur die Themen Liebe, Trennung und Partnerschaft thematisiert. Er zeigt auch explizit die Zärtlichkeit zwischen älteren Menschen. Dies war für das deutsche Kinopublikum vollkommen neu – das Thema Sexualität schien der Jugend vorbehalten.
Scham und soziale Faktoren
Dabei bleibt das Bedürfnis nach körperlicher Nähe auch im Alter bestehen – nur haben Ältere häufiger mit Problemen zu kämpfen, die ihnen ein erfülltes Sexualleben erschweren. Zunächst ist der Verlust des Partners oder der Partnerin zu nennen. Wenn die Ehefrau oder der Ehemann versterben, verlieren viele die Möglichkeit, sich mit anderen auch auf einer körperlichen Ebene zu begegnen. Manche Männer greifen in einer solchen Situation auf die Dienste von Prostituierten zurück – gerade Bewohner von Pflegeheimen haben dann allerdings mit Scham zu kämpfen. Früher war es üblich, die Prostituierten als Verwandte, etwa als Nichten auszugeben. Heute hat sich hingegen in vielen Einrichtungen ein offenerer Umgang mit den sexuellen Bedürfnissen ihrer Bewohner etabliert.
Seit einigen Jahren hat sich eine spezielle Form der Prostitution etabliert, die sich an behinderte, kranke oder alte Menschen richtet. Sogenannte Sexualassistentinnen gehen auf die besonderen Bedürfnisse ihrer Kunden nach Nähe und Zärtlichkeit ein, ohne, dass ihr Besuch zwangsläufig das vollziehen des Geschlechtsverkehrs beinhalten muss. So wird die Sexualität älterer Menschen langsam aus der Schmuddel- und Schamecke geholt und ein freierer Umgang mit dem Bedürfnis nach Zärtlichkeit ist möglich.
Körperliche Faktoren
Neben diesen sozialen Faktoren können auch körperliche Probleme zu Einschränkungen des Sexuallebens führen. Denn selbst wenn das Verlangen und Bedürfnis nach Zärtlichkeit bestehen bleibt, mag in vielen Fällen der Körper nicht mehr so mitmachen wie in jüngeren Jahren. Männer haben verstärkt mit Potenzstörungen zu kämpfen, bei Frauen kann die vaginale Lubrikation, also das Feuchtwerden der Scheide, einschränkt sein. Auch Probleme mit Harninkontinenz können zu Unwohlsein beim Sex führen. Doch es gibt gute Nachrichten: Zum einen sind alle diese körperlichen Symptome medizinisch behandelbar. Zum anderen entdecken viele mit dem Alter Spielarten der Sexualität, die über den penetrativen Geschlechtsakt hinausgehen und von den oben genannten Einschränkungen nicht beeinflusst werden.
Und eine weitere gute Nachricht gibt es zu vermelden: Sex im Alter ist gesund! Zumindest, sofern man seinen Körper und dessen Grenzen kennt. Wer sich von Leistungsdenken frei macht, fördert mit dem Austausch von Zärtlichkeiten im Alter das eigene Wohlbefinden. Und was der Seele gut tut, stärkt auch den Körper.