Es kann von heute auf morgen passieren: Ein Unfall, ein medizinischer Notfall, und ein Mensch kann seinen Alltag nicht mehr ohne die Hilfe anderer bewältigen. Er ist auf die Unterstützung von Angehörigen, Freunden oder Pflegeinstanzen angewiesen. Ist ein Elternteil von einem solchen Schicksalsschlag betroffen, übernehmen nicht selten die Kinder die Rolle der Pflegenden. Ein Thema, über das bisher weitgehend geschwiegen wird in unserer Gesellschaft.
„Young Carers“
Kinder und Jugendliche, die sich regelmäßig um chronisch kranke, behinderte, sucht- oder psychisch kranke Familienmitglieder kümmern, werden als „Young Carers“ (Junge Pflegende) bezeichnet. Die unter 18-Jährigen übernehmen dabei verschiedene Aufgaben: Sie helfen im Haushalt, pflegen erkrankte Personen, leisten emotionale Unterstützungsarbeit für gesunde Angehörige wie beispielsweise Geschwister und kümmern sich dazu noch um ihre persönlichen Aufgaben, wie Schularbeiten. Etwa 90 % leisten mehrmals in der Woche Pflegearbeit, rund ein Drittel ist täglich mit pflegerischen Aufgaben konfrontiert (Quelle)
Versteckt hinter dem Schleier des Schweigens
Junge Pflegende unterstützen ihre Angehörigen meist, ohne viel darüber zu sprechen. Wie viele solcher Fälle es in Deutschland gibt, lässt sich daher nur schwer sagen. Schätzungen ergeben rund 500.000 Kinder und Jugendliche zwischen 10 und 18 Jahren, das entspricht etwa 6 % der in Deutschland lebenden (Quelle) Die Dunkelziffer liegt wohl aber deutlich höher. Die Gründe dafür, warum im Allgemeinen nicht über das Thema gesprochen wird, sind verschieden. Viele junge Pflegende nehmen sich selbst nicht in ihrer Rolle wahr: Für sie ist der Pflegealltag bereits Normalität geworden. Andere schämen sich für ihre Aufgaben im häuslichen Bereich. Ein großer Teil hat außerdem Angst davor, von Behörden wie dem Jugendamt aus der Familie geholt zu werden, wenn sie offen über ihre Belastung sprechen.
Eine Kindheit mit Folgen
Seine Kindheit und Jugend als Yong Carer verbingen zu müssen, kann langfristige gesundheitliche Folgen für die Pflegenden haben. Denn wenn die Pflege den Alltag der Kinder und Jugendlichen dominiert, fallen Freizeitaktivitäten zunehmend weg. Die Pflegenden verschwinden immer mehr aus ihrem sozialen Umfeld, haben Schwierigkeiten in der Schule und verlieren den Kontakt zu Gleichaltrigen. Die Angst um ihre Angehörigen und die Verantwortung, mit der sie häufig überfordert sind, ist vor allem in jungen Jahren eine enorme Belastung für die psychische Gesundheit. Chronische Erkrankungen und Nachteile auf dem Schul- und Ausbildungsweg können die Folge sein. Wichtig ist: Kinder und Jugendliche in eine familiäre Pflegesituation mit einzubeziehen, ist erst einmal nicht grundlegend falsch. Die Aufgaben, die die jungen Pflegenden übernehmen, sollten jedoch altersangemessen sein und sie nicht überfordern. Kann dies nicht gewährleistet werden, sollte sich in jedem Fall Hilfe geholt werden.
Wer hilft?
Unterstützung können Young Carers über verschiedene Wege erhalten. Lehrer, Nachbarn oder Freunde sind eine erste Ansprechstation, doch dafür muss offen über die Situation kommuniziert werden. Daneben gibt es Internetseiten, wie die der Johanniter Superhands. Hier erhalten die Pflegenden Informationen zu Krankheitsbildern und aktuellen politischen Entwicklungen. Über die anonyme Telefonhotline können die Kinder und Jugendlichen mit jemandem über ihre Sorgen und ihren Alltag zu sprechen. Auch die Webseiten young-carers.de und pausentaste.de bieten Hilfe an. Unter young-carer-hilfe.de gibt es unter anderem eine Übersicht zu Beratungshilfen in der Nähe, ein Angebot für Schulen und verschiedene Webinare und Online-Schulungen, die zu dem Thema besucht werden können. Es steht jedoch fest: Für junge Pflegende braucht es ein breiteres Feld an Unterstützungsmöglichkeiten. Es muss aufgeklärt, informiert und beraten werden, denn: Es kann jederzeit jeden und jede treffen.
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