Die richtige Ernährung im Alter ist ein heikles Thema. Nicht selten klagen Senioren über Unlust zu essen oder weisen bei Untersuchungen Mangelerscheinungen auf. Ist jedoch die selbständige Nahrungsaufnahme nur noch eingeschränkt oder gar nicht mehr realisierbar, müssen Angehörige die schwierige Entscheidung treffen, ob künstliche Ernährungsmaßnahmen angewendet werden sollen. In diesem Artikel erhalten Sie einen Überblick, wodurch künstlicher Ernährung notwendig wird und welche verschiedenen Maßnahmen es gibt.
Wie entstehen Ernährungsprobleme?
Gerade bei älteren Menschen sind Ernährungsprobleme und Mangelernährung weit verbreitet. Die Ursachen sind dabei sehr vielfältig. Eine verminderte Nahrungsaufnahme beispielsweise kann die verschiedensten Gründe haben: Von schlecht sitzenden Zahnprothesen über gereizte Schleimhäute oder Schmerzen beim Kauen ist alles möglich. Auch fehlende Kraft in Armen und Händen, wodurch das Greifen und Halten von Besteck, Bechern oder Lebensmitteln unmöglich wird, kann eine Ursache für eine geringe Nahrungsaufnahme sein. Nicht selten verändern sich auch die Sinneswahrnehmungen im Alter oder durch bestimmte Medikamente, wodurch sich die Qualität der Mahlzeit scheinbar verschlechtert und der Appetit sinkt.
Da ältere Menschen meist weniger essen, ist es für sie schwieriger, einen erhöhten Energie- und Nährstoffbedarf zu decken, wie er im Falle einer durch Krankheit (z. B. Infektionen, Fieber, offene Wunden, Durchfall und Erbrechen) oder durch demenzbedingte Unruhezustände und ständiges Umherlaufen entsteht. Auch saisonale Schwankungen – z.B. im Vitamin-D-Haushalt – können von älteren Menschen schlechter ausgeglichen werden. Darüber hinaus führen auch verschiedene Grunderkrankungen wie Schlaganfall, Multiple Sklerose, Parkinson, Tumore im Mund-, Rachen- oder Speiseröhrenbereich, Demenz oder Depression zu Ernährungsproblemen.
Welche Hilfe gibt es bei Ernährungsproblemen?
Bei Ernährungsproblemen greifen zunächst die klassischen Maßnahmen der Ernährungstherapie. Ist der Betroffene dazu in der Lage, können ihm Ärzte oder Ernährungstherapeuten Lösungen für seine Mangelerscheinungen aufzeigen.
Auch Angehörige, die mit der Biografie und den kulinarischen Vorlieben der Person vertraut sind, haben gute Chancen, mögliche Probleme im Gespräch zu klären und etwa durch eine Veränderung in der Zubereitung von Speisen eine Besserung zu erzielen. Ebenso ist eine Supplementierung bestimmter Nährstoffe durch ärztlich verschriebene Nahrungsergänzungsmittel denkbar.
Wann wird künstliche Ernährung notwendig?
Viele Menschen denken bei künstlicher Ernährung sofort an eine Magensonde, doch tatsächlich gehören bereits hochkalorische Nahrungszusätze (häufig in geschmacksneutraler Pulverform) oder Trinknahrung (in verschiedenen Geschmacksrichtungen) zu den ersten Maßnahmen einer künstlichen Ernährung. Diese werden als orale Nahrungssupplemente bezeichnet.
Ist jedoch die selbst selbstständige Nahrungsaufnahme nicht mehr vollständig realisierbar, können kurz- wie auch langfristige Formen der künstlichen Nahrungsaufnahme eingeleitet werden.
Welche Möglichkeiten künstlicher Ernährung gibt es?
Dabei wird zwischen zwei verschiedenen Formen der künstlichen Ernährung unterschieden:
- Als enterale Ernährung werden Maßnehmen bezeichnet, die unter Nutzung des Darmes erfolgen.
- Parenterale Ernährung hingegen steht für die Versorgung mit Nährstoffen über eine Vene.
Beide Ernährungstherapien können sowohl als alleinige Maßnahme, aber auch als einander ergänzende Methoden zur Anwendung kommen.
Enterale Ernährung
Bei der enteralen Ernährung (von griech. enteron: Darm) erfolgt die Nährstoffzufuhr über den Magen-Darm-Trakt mithilfe einer Sonde. Über einen dünnen Schlauch wird der Zugang zum Magen entweder durch die Nase (= Nasensonde) oder direkt durch die Bauchdecke (PEG-Sonde = perkutane endoskopisch kontrollierte Gastrostomie) hergestellt. Dabei werden Teile des oberen Verdauungskanals (Mund, Rachen, Speiseröhre) umgangen. Die Verdauungsprozesse bleiben jedoch die gleichen wie bei normaler Ernährung.
Während Nasensonden eher für eine kurzfristige künstliche Ernährung genutzt werden, wird eine PEG-Sonde nur verlegt, wenn die künstliche Nahrstoffzufuhr über einen längeren Zeitraum notwendig ist.
Parenterale Ernährung
Ist weder eine herkömmliche Ernährung noch eine enterale Ernährungstherapie möglich, kommt die parenterale Ernährungstherapie zum Einsatz. Hierbei werden die Nährstoffe über einen venösen Zugang direkt in die Blutbahn eingespeist, und dabei auch der gesamte Magen-Darm-Trakt umgangen. Dies kann sowohl durch Fertigarzneimittel (Aminosäure, Glukose oder Fette) als auch in Form individueller parenterale Ernährung (ihpE), abgestimmt auf den Patientenbedarf geschehen. Bei einer kurzfristigen parenterales Ernährung wird hierfür eine periphere Vene (z.B. in der Armbeuge) genutzt. Ist eine längere Dauer absehbar, wird der Zugang an einer zentralen Vene (z.B. unter dem Schlüsselbein) gelegt.
Entscheidungshilfe: Künstliche Ernährung ja oder nein?
Soll eine Form der künstlichen Ernährung eingeleitet oder beendet werden, setzt dies zwangsläufig eine medizinische Notwendigkeit voraus. Außerdem muss jedoch die Position des Betroffenen beachtet werden – denn niemand darf gegen seinen ausdrücklichen Willen künstlich ernährt werden (außer bei Nahrungsverweigerung aufgrund psychischer Störungen wie z.B. Magersucht). Bei fehlender Entscheidungsfähigkeit sind die Aussagen, die der Betroffene in seiner Patientenverfügung getroffen hat, rechtlich bindend.
Liegt eine solche jedoch nicht vor, müssen die Angehörigen den mutmaßlichen Willen des Betroffen ermitteln – eine schwierige Entscheidung, bei der Ihnen folgende Informationen hilfreich sein können:
- Aus medizinischer Sicht sollte, wann immer möglich, die enterale Ernährung den Vorzug erhalten. Durch die Nutzung des Magen-Darm-Traktes können hier wesentliche Körperfunktionen aufrechterhalten werden.
- Mit dem Arbeitsbogen zur Entscheidungsfindung der AOK können Sie sachliche Argumente für oder gegen eine PEG zusammentragen.